Bildein – Das
Dorf ohne Grenzen
Emmerich Koller |
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„Die Gemeinde Bildein liegt im nordöstlichen Teil des Bezirkes Güssing. Die Abgeschiedenheit und ruhige Lage an der Grenze zu Ungarn hat nicht nur die Urtümlichkeit der Landschaft, sondern auch die einfache freundliche Art der Menschen, sowie alte Traditionen bewahrt. Die Aulandschaften sind ideale Plätze für Rast, Ruhe und Erholung. Ausgedehnte Wälder und stille Feldwege laden zu gemütlichen Spaziergängen ein. Die junge Gemeinde Bildein steht für Lebensqualität und Fortschritt”. www.bildein.at Im vergangenen Sommer haben meine Familie und ich ein paar Tage in Bildein und Umgebung verbracht und können dafür bürgen, dass nichts an dieser Beschreibung übertrieben ist. Ich möchte meine Leser gern mit diesem schönen Fleck Erde, dem Dorf und den netten Leuten, die da leben, bekannt machen. Zugleich möchte ich auf ein Ereignis in der Geschichte von Bildein hinweisen, das für meine Familie und mich vor 55 Jahren von großer Bedeutung war.
Vierzig Jahre lang trennte eine Todesgrenze den Deutsch, Ungarisch und Kroatisch sprechenden Pinkaboden, in dem auch Bildein liegt. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs adoptierten die Bildeiner das Leitbild „Das Dorf ohne Grenzen“. Wie es in der Webseite des Dorfes zu lesen ist, bedeutet das erstens die Grenzen auch in den Köpfen abzubauen – Streben nach Aufgeschlossenheit für alles Neue, Offenheit für Gäste und Touristen jeden Alters und Toleranz gegenüber alle Volksgruppen, Religionen und Fremdsprachen. Zweitens will Bildein auf die Geschichte der Grenzziehung, das Leben an der Grenze und das Leben mit seinen ungarischen Nachbarn aufmerksam machen. Dass die Bildeiner ihr Leitbild ernst nehmen und es keineswegs als leere Plattitüde betrachten, wird allein schon durch zwei Veranstaltungen in den letzten paar Monaten klar. Von 11. bis 13. August trafen sich wieder 2.500 Rockfans am Bildeiner Festivalgelände im Dorfzentrum zum „grenzenlosen“ Fest der Musik, Picture On. Seit 2000 wird dieses Musikspektakel gemeinsam mit einem ungarischen Partnerverein organisiert. Das ganze Dorf wirkt in dieser Riesenveranstaltung mit großem Erfolg mit. Gleich von Anfang an wurde das Festival immer wieder ausgebaut so dass es jetzt zwei Open Air Bühnen gibt. Die Besucheranzahl hat sich in den elf Jahren verzehnfacht und das Festival ist jetzt Teil eines umfassenden EU-Projektes. www.pictureon.at
Genau einen Monat später, am 11. September fand die Eröffnung vom „Grenzerfahrungsweg“ statt. Dieser fünf Kilometer lange Wanderweg mit mehreren Stationen lässt die Geschichte des Ortes seit dem Zweiten Weltkrieg lebendig werden und ladet zum aktiven Mitmachen ein. Es ist eine einmalige Touristen-Attraktion, die nach Entwürfen des Künstlers Andreas Lehner errichtet worden ist. Die erste Station ist das Labyrinth vor dem Oberbildeiner Friedhof. “Mit seinen verschlungenen Pfaden ist es ein Symbol des Lebensweges. Es lädt Erwachsene zum wandelnden Meditieren ein; für Kinder ist es ein Erlebnis besonderer Art”. www.bildein.at
Nach einem kurzen Spaziergang kommt man zur
zweiten Station: zu einem echten Bunker und einem Panzer aus dem Zweiten
Weltkrieg. Diese wie auch die nächsten zwei Stationen, der Pontonsteg
über die alte Oberbildeiner „Kroudnlokka“ und die „Spiel ohne Grenzen“
Anlage sind für Kinder und junge Leute von besonders großem Interesse.
Von da geht es dann auf einem Pfad, der mit Hilfe des Bundesheers gebaut
wurde, die Pinka entlang bis zur österreichisch- ungarischen Grenze, wo
man dann auf einer wunderschönen neuen Brücke die Pinka überquert. Am
gegenüberliegenden Flussufer geht es zur letzten Station mit
Grenzwachturm und Nachbildungen der ehemaligen Sicherheitsvorrichtungen
am Eisernen Vorhang.
Der Weg bietet den Besuchern noch viel mehr als ich hier beschreibe und ein Besuch nach Bildein ist schon allein wegen dieser einzigartigen Attraktion empfehlenswert.
Der Grenzerfahrungsweg ist nur das Neueste in Bildein. Was man sonst noch in den letzten 20 Jahren in diesem Dorf geleistet hat ist außerordentlich. Von sich selbst sind diese Attraktionen natürlich nicht zustande gekommen. Es benötigte finanzielle Unterstützung von der EU, den Weitblick des sehr engagierten und charismatischen Bürgermeisters und Bundesrates Walter Temmel, das Know-how von Vize-Bürgermeister Emmerich Zax und die Mitwirkung der Bürger von Bildein. Im Zentrum vom ehemaligen Unterbildein (seit 1993 nur Bildein) befindet sich das Burgenländische Geschichte(n)haus, wo die Geschichte Bildeins und persönlich erlebte Geschichten der einzelnen Grenzbewegungen dar- und ausgestellt sind. Ein Besuch hier wäre der perfekte Abschluss oder auch Anfang zum Grenzerfahrungsweg.
Neben der Pfarrkirche befindet sich die sichtbarste und wichtigste Leistung im Rahmen der Dorferneuerung Bildeins, das WeinKulturHaus, quasi das neue Dorfzentrum. Im Pfarrhaus ist jetzt das Weinarchiv, wo die besten Tropfen der heimischen Winzer lagern. Der alte Stadl der Pfarre wurde zuerst zum Veranstaltungs- und Kommunikationszentrum umgebaut, dann nach weiterer Ausbau kamen ein Dorfwirtshaus, ein Veranstaltungssaal und ein Kaufhaus mit Direktvermarkter-Ecke hinzu. Jetzt nennt sich das Ganze WeinKulturHaus. Den Besuchern möchte ich die erstklassige Küche in Rosemaries Gasthaus im Dorfzentrum empfehlen, wo meine amerikanische Familie die südburgenländische Küche zu schätzen lernte.
Vor 55 Jahren hätte man sich so ein Bild von Bildein gar nicht vorstellen können. Meine Familie und ich kamen damals in ein Dorf, das sich außer schöneren Stadln, mehr Vieh, einigen Traktoren und besseren Landwirtschafts-Geräten kaum von meinem Dorf jenseits der Grenze unterschied. Die Stiefelabdrücke der Russen waren ja noch kaum verwischt.
Sie waren aber nicht die einzigen, die uns und den anderen Flüchtlings-Familien mit Rat und Tat zur Seite standen. Im ersten Winter 1956-57 gingen die Schulkinder mit Schubkarren von Haus zu Haus, um Lebensmittel für die Flüchtlinge zu sammeln. Der Bürgermeister fand Jobs für meinen Vater damit er sich ein bisschen Geld verdienen konnte. Meine jüngste Schwester, mein Bruder und ich waren noch im Volksschulalter und vom ersten Tag an waren wir bloß die neuen Kinder aus dem Nachbardorf nicht Füchtlingskinder aus einem fremden Land. Nur langte unser Hianzisch nicht für das Deutsch im Unterricht. Schnell habe ich in der 8. Klasse Freunde gefunden, die mir gern mit den Hausaufgaben halfen. Mein Bruder und ich waren bald als Ministranten eingeteilt und man ehrte meinen Vater mit der Bitte er möge bei der Sonntagmesse das Opfergeld sammeln. Die Dorfleute überredeten ihn auch eine Schusterwerkstatt in Oberbildein aufzumachen. Man akzeptierte uns, wir wurden in die Gemeinde eingegliedert und man sah uns bloß als Verwandte und Nachbarn von der anderen Seite des Stacheldrahtzaunes. Ich möchte bei dieser Gelegenheit den Bildeinern öffentlich danken dafür, was sie vor 55 Jahren für mich persönlich, für meine Familie und für alle anderen Flüchtlinge getan haben. In den Köpfen und Herzen der guten Bildeiner hat es nie Grenzen gegeben.
Eine ausführliche
Beschreibung der Ereignisse vor 55 Jahren ist in Emmerich
Kollers Erinnerungen zu lesen. Auf Deutsch: Über
die Grenzen: Erinnerungen eines Emigranten aus Ungarn
Tel: 03352-33940,
www.lexliszt12.at, info(a)lexliszt12.at
Auf Englisch: Good Dogs Do Stray: Memoir of an Immigrant from Hungary
emmerich3(a)comcast.net, emmerichkoller(a)gmail.com,
www.emmerichkoller.com
The English version of this article was published with the
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Burgenlaendische Gemeinschaft 10-12 2011 Nr.420 | ![]() |
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